Oktober 28

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Vom Monte Verità zu den Inner Development Goals: Auf der Suche nach einem Weg für eine nachhaltige Zukunft

By Bianca Merz

Oktober 28, 2023


Die letzten Wochen waren auf unterschiedlichen Ebenen intensiv und ereignisreich. Ich hatte das Glück, u.a. online am inspirierenden und motivierenden InnerDevelopment-Goals-Summit teilzunehmen und am Entstehen von Zukunftsideen mitwirken. Auch ein paar Tage der Erholung im Tessin mit einem Besuch des Monte Verità haben mich sehr genährt.

Allerdings habe ich auch eine Ohnmacht angesichts der diversen aktuellen Herausforderungen verspürt. Diese bestehen schon lange und haben vor über 100 Jahren bereits einige Menschen dazu gebracht, ein Leben im Einklang mit der inneren und äusseren Natur fernab der Zuvielisation zu suchen. Ich möchte nachfolgend aufzeigen, wie sich in meiner Wahrnehmung die Anliegen der Inner Development Goals mit den Erfahrungen der Kommune oberhalb Asconas um ca. 1900 verbinden.

Roger Willemsen (1955-2016) beschrieb unsere heutige Situation treffend: „Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung. So gingen wir, von uns selbst nicht aufgehalten.“

Wir leben in einer Welt, in der wir mehr Zugang zu Informationen haben als je zuvor, aber nicht in der Lage sind, diese in praktische Handlungen umzusetzen. Wir entscheiden uns oft für den Verstand anstatt für das Herz. Wir wissen um die spürbaren und sich rasant zuspitzenden Krisen in ökologischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Hinsicht. Wir wissen teilweise, was zu tun (bzw. lassen) wäre, handeln aber bei weitem zu wenig oder zu langsam und füttern weiterhin das alte „immer mehr“-Paradigma. Alte Ideen und Gewohnheiten, die noch immer profitabel sind, sind derzeit das Gefährlichste, was es gibt.

In der Psychologie und Führungsliteratur wird oft vom sogenannten Knowing-Doing-Gap gesprochen. Darunter versteht man das Phänomen, dass wir zwar wissen, was wir tun sollten, aber dennoch nicht entsprechend handeln. Es ist bekannt, wie schwierig es ist, Gewohnheiten und Überzeugungen zu ändern. Oft bedarf es einer Krise, um unser Verhalten zu ändern. Wir müssen uns selbst berühren lassen, in uns eintauchen und das Herz miteinbringen.

Aber wie geht das? Wie können wir einen inneren Dialog führen und uns selbst bewusst werden? Bisher lag der Fokus beim Lernen neuer Skills immer auf äusseren Bedingungen, was uns oft innerlich kalt lässt und nicht berührt. Doch die Schnittstelle zwischen Wissen und Verhalten muss neu definiert werden, um eine nachhaltige Welt für uns und andere zu schaffen. Aus diesem Grund wurden die Inner Development Goals (IDGs) ins Leben gerufen – eine globale Bewegung, die sich darauf konzentriert, die innere Entwicklung zu fördern, um die SDGs (Sustainable Development Goals) zu erreichen. Sie bieten einen Rahmen für Veränderungen, der von Einzelpersonen, Organisationen und Gemeinschaften genutzt werden kann, um eine Kultur der Nachhaltigkeit zu schaffen. Gemeinsam mit Esther und anderen suche ich u.a. im Rahmen des Netzwerks Emergination nach neuen Wegen, weg vom „Fingerpointing“ und hin zu Verantwortung und Kooperation. Denn letztendlich liegt es auch an jedem Einzelnen von uns, seine Einstellung, Haltung und schlussendlich sein Verhalten zu ändern.

Der Monte Verità im Tessin war in den Anfängen des 20. Jahrhunderts ein Ort des Aufbruchs und der Experimente. Hier fand sich eine Gemeinschaft von KünstlerInnen, Intellektuellen und AussteigerInnen aus der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, die alternative Lebensformen lebten und versuchten, gemeinsam einen dritten Weg abseits vom Kapitalismus und Kommunismus aufzuzeigen. Themen wie Naturheilkunde, Vegetarismus und alternative Bildungsformen standen im Fokus. Trotz ihrer Ideale und Haltungen gab es innerhalb der Gemeinschaft Konflikte und Spannungen (insbesondere organisatorischer und finanzieller Art, aber auch betr. den Umgang mit unterschiedlichen Haltungen) bis sie sich schliesslich auflöste.

Heute gibt es Parallelen von dieser Bewegung zu derjenigen der Inner Development Goals. Beide Wege zielen darauf ab, etwas völlig Neues zu finden, anstatt bereits Bekanntes zu suchen. Das erfordert Mut und die Bereitschaft, „sich im Ungewissen geborgen zu fühlen“ (P.Picasso). Doch die grösste Herausforderung besteht darin, nicht in alte Denkmuster zu verfallen und Vielseitigkeit zuzulassen. Um im Ungewissen Halt zu finden, benötigen wir Offenheit, Haltungsstrategien, Sinnkriterien und einen Zugang zum inneren Kompass. Ein reifer Austausch in  sozialen Netzwerken, welche Diversität und Kooperation leben, kann unterstützen, eine innere Sicherheit zu finden und Muster von Selbstwirksamkeit aufzubauen und zu verstärken. Mit viel Sonne im Herz und Freude am Gestalten – auch wenns im Aussen in Strömen regnet (wie am 20.10. auf dem Monte Verità ;-)). 

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