Meine Lieblingsthemen:
Zukunftskompetenz und innerer Wandel
An diesem Pfingst-Wochenende ist mir wieder bewusst geworden, dass ich mich eigentlich schon sehr lange mit dem Thema Geld beschäftige. Nicht nur persönlich, sondern auch systemisch. Mit meinem Hintergrund als Ökonomin war mir irgendwann klar: Geld ist kein neutrales Tauschmittel. Die Wirtschaft kein neutrales und schon gar kein rational-gesteuertes Spielfeld.
Und trotzdem: Das Ganze war und ist mir oft zu komplex, zu abstrakt, schwer fassbar. Ich bin sicher, ich werde wohl nie alle Mechanismen ganz durchdringen.
Aber das muss ich auch nicht. Denn was mich in meiner Arbeit besonders interessiert, ist etwas anderes:
Wie sich unterschiedliche Themen miteinander verweben lassen.
Wie zum Beispiel die Inner Development Goals, vertikale Entwicklung – also eine erweiterte Wahrnehmung von Welt und Selbst –und die “Geldarbeit” nach Peter Koenig. Und was das heisst für die Führung und Menschen (mit und ohne Führung) heute.
Der Online-Anlass der IDG-Community Léman letzten Dienstagabend mit Peter Koenig als Gast war für mich daher ein weiterer Baustein auch dazu wie lässt sich „Geldarbeit“ in gelebte Praxis und in die Inner Development Goals integrieren/übersetzen?
Peter griff unter anderem Zahlen des Peace Research Institute in Stockholm auf, die unsere schiefe Weltlage zeigen: Noch immer fliesst vier- bis fünfmal mehr Geld in Rüstung als in das, was Menschen stärkt und unsere Lebensgrundlagen schützt wie soziale und ökologische Aktivitäten.
Gerade in Führung und Wirtschaft wird deutlich: Es braucht neue Kompetenzen, um mit den Herausforderungen unserer Zeit umgehen zu können. Jenseits von Kontrolle, Effizienz und Wachstumslogik.
Über die Pfingsttage habe ich nun ausserdem „Mysterium Geld“ von Bernard Lietaer fertig gelesen. Ein Buch, das Geld als kollektives Spiegelbild unserer Archetypen beschreibt und faszinierende Geschichten aus diversen Kulturen teilt.
Ein zentraler Gedanke darin: Stabilität entsteht nicht durch ein Entweder-oder, sondern durch ein lebendiges Sowohl-als-auch. Lietaer beschreibt, wie unser aktuelles Geldsystem vor allem einem Archetyp folgt; dem des Kontrollierenden, Strukturierenden. Was fehlt, ist das Ausgleichende: das Nährende, Zyklische, Verbindende.
Eigentlich wissen wir ja gerade in der Führung schon lange, dass es mehrere Seiten braucht: Innovation entsteht nicht aus Kontrolle allein, sondern aus der Balance von Struktur und Beziehung, von Ratio und Resonanz. Erst im Zusammenspiel gewisser Qualitäten, wie bspw. (Selbst-)Führung und (Selbst-)Fürsorge, Effizienz und Verbindung, Struktur und Fluss, kann ein gesundes, zukunftsfähiges (Geld)System entstehen.
So, nun aber etwas geordnet meine Gedanken oder auch Take aways dazu:
Systemische Ebene: Was wir strukturell entwerten
Die Entwertung sogenannter „weiblicher“ Qualitäten wie Fürsorge, Beziehung, emotionale Intelligenz, Verbundenheit ist kein Zufall. Sie ist geschichtlich und wirtschaftlich tief verankert.
Die Ökonomin Mascha Madörin zeigte schon vor Jahren auf, wie unser Finanz- und Wirtschaftssystem systematisch das „Weibliche“ unterdrückt. Care-Arbeit, Pflege, emotionale Präsenz, Regeneration – all das, was Leben erhält, wird nicht als produktiv gewertet. Im Gegenteil: Es fehlt komplett im BIP (wie ja noch so einiges mehr…)
„Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft hat Fürsorge nicht abgeschafft, sondern sie privatisiert – und damit entwertet.“ Mascha Madörin.
Ein oft zitiertes Beispiel: Wenn jemand einen älteren Nachbarn pflegt, zählt das nicht zum BIP. Sobald die Person dafür bezahlt wird, steigt das BIP und dies obwohl sich an der Tätigkeit nichts geändert hat.
Auch Franziska Schutzbach spricht in ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frauen“ eindrücklich über diesen systemischen Widerspruch: Dass das, was die Gesellschaft im Innersten zusammenhält wie emotionale, soziale und pflegende Arbeit, gleichzeitig am wenigsten finanziell/wirtschaftlich anerkannt und geschützt wird. Diese Entwertung betrifft übrigens nicht nur Frauen, sondern generell Menschen, die fürsorglich, verbindend, kooperativ wirken.
Yin und Yang – weibliche und männliche Prinzipien – wohnen in jedem von uns.
Ein einseitig „maskulin“ ausgerichtetes System unterdrückt also auch das Weiche, Beziehungsstiftende im Mann. Geld wird so zum Spiegel unserer kollektiven Schatten. Oder wie Peter Koenig am Dienstag so schön sagte: „On a global scale, the shadow hides within our relationship to money.“
Persönliche Erfahrung: Mein Geld-„Mythos“
Über die Auffahrtstage 2021 hatte ich in einem Seminar mit Monika Caluori (ausgebildet bei Peter Koenig) begonnen, meinen ganz eigenen Geld-Mythos zu entschlüsseln.
Es ging während dieser zwei Tage nicht darum, zu lernen wie ich mein Geld optimal anlege. Es ging darum, bewusst zu machen, was ich über Geld glaube. Und welche inneren Anteile ich im Umgang damit ablehne oder überhöhe. Was ist Geld für mich? Wofür darf ich Geld verlangen? Zu erkennen, dass meine Annahmen über Geld formbar und einseitig sind und viel mit meinem Selbst-Bild zu tun haben war ziemlich eindrücklich. Überhaupt, was ich da so auf Geld projizierte und mir dadurch teils selber im Weg stand.
Ein weiteres wichtiges Learning für mich war: Das Selbstverständliche ist oft das Wertvollste! Lange habe ich nicht gesehen, dass das, was mir natürlich ist, auch Wirkkraft hat, weil es mir so selbstverständlich war. Zuhören. Räume halten. Mich auch jenseits formeller Sitzungen einlassen – nicht aus Pflicht, sondern aus echter Hinwendung und Interesse.
Solche Rückmeldungen hörte ich oft – und doch rechnete ich sie mir nicht an.
Dachte: Das machen doch alle so. Und das ist einfach so. Nun inzwischen mit einer geschärften Beobachtung dazu ist mir klar, dass ich da einiges ziemlich verzerrt wahrnahm….;-).
Ich bin überzeugt, in einer Wirtschaftswelt, die neue Führungsqualitäten sucht, sind genau diese leisen Kompetenzen ergänzend entscheidend: Präsenz, Resonanz, Beziehungsintelligenz. Sie sind nicht „weich“ – sie sind wirksam. Die Arbeit mit Monika Caluori hat mir den Spiegel gehalten: Was ich lange nicht benannt habe, ist Kompetenz! Eine besondere Präsenz, genährt aus Erfahrung, Vielstimmigkeit, Intuition und tiefem Lernen.
Diese Erkenntnis hat etwas in mir verschoben: Was für mich natürlich ist, darf auch wertvoll sein. Und ja – es darf etwas kosten. Es muss es sogar :-). Mein Bewusstsein hat sich dadurch erweitert.
Lietaer, Gebser – und die vertikale Dimension
Vielleicht ist genau das der tiefere Boden, auf dem sich Geldtransformation ereignen kann: Bewusstseinserweiterung.
Bernard Lietaer bezog sich in „Mysterium Geld“ auf Jean Gebser, den Kulturphilosophen, einer der die Menschheitsgeschichte als Abfolge qualitativer Bewusstseinsstufen beschrieb.
Was Lietaer daraus ableitet, ist radikal und tröstlich zugleich: Wenn Geld ein Spiegel unseres kollektiven Bewusstseins ist, dann braucht es für seinen Wandel nicht nur Strukturreform – sondern Reifung. Die Fähigkeit, Mehrdeutigkeit zu halten.
Ambivalenz zuzulassen. Beziehung vor Kontrolle zu stellen.
Diese Fähigkeiten – also Ambiguitätstoleranz, innere Klarheit, Präsenz im Nicht-Wissen sind nicht „Nice-to-have“. Die lesen wir aktuell überall und sind längst Thema in meinen Beratungen/Coachings. Denn sie sind aktuell nötige Zukunftskompetenzen. Eigentlich sogar Präsenzkompetenzen. Und sie sind Teil der Inner Development Goals (IDGs).
So schliesst sich der Kreis der Themen für mich – Und öffnet sich zugleich weiter….
Übertrag in die Praxis: Warum sich Geldarbeit für alle lohnt
Ich bin überzeugt, dass Geldarbeit – oder sich einfach mal beschäftigen mit Geld als Projektionsfläche sich für alle lohnt. Denn:
- Wenn du als Führungskraft gesunde finanzielle Verantwortung verkörperst, wirkt das auf dein Team.
- Wenn du als Fachperson deine Leistung klar beziffern kannst, schützt du dich vor Selbstausbeutung.
- Wenn du als Selbständige/r dein Angebot in einen selbstbewussten Wert setzt, ziehst du andere auf Augenhöhe an.
- Und wenn du spürst, dass Geld in deinem Leben eher Ladung als Klarheit bringt, dann lohnt sich die innere Arbeit daran doppelt.
Geld ist ein Spiegel für Führung, für Beziehung, für Entwicklung. Und wer sich traut, dort hinzuschauen, öffnet oft Türen in ganz andere Bereiche.
Einladung zur bewussten Geldbeziehung – als Teil innerer Entwicklung
Ich werde Monika Caluori im Herbst wieder zu einem Vortrag einladen. Weil ich glaube, dass diese Arbeit gerade jetzt wichtig ist. Nicht als „Add-on“ – sondern als tiefes Fundament innerer und äusserer Klarheit. Und weil ich damit gut Erfahrungen gemacht habe.
Wir sprechen oft über Zukunftskompetenz in Organisationen. Sie beginnt in uns selbst. In der Fähigkeit zu reflektieren, zu integrieren, zu wandeln.
Seit ich begonnen habe, mein Verhältnis zu Geld bewusster zu gestalten, hat sich etwas verschoben.Nicht nur im Aussen – sondern zuerst in meinem Innersten. Ich spüre mehr Gelassenheit. Weil ich nicht mehr so sehr auf Sicherheit bauen muss, sondern sie in mir finde. Ich traue mich klarer, für meinen Wert einzustehen.
Und manchmal, fast unerwartet, wird es auch leichter. Spielerischer! Weil ich erkenne: Geld trägt mich nicht. Aber ich kann lernen, mich selbst zu tragen – auch im Umgang mit Geld.
Nicht, dass mir das immer gelingt… leider nicht 😉 – je nach Verfassung, Hormonlage oder Kontostand purzle ich auch mal wunderbar unelegant rückwärts in alte Muster. Aber ich bin unterwegs…. Denn es ist ein Prozess. Kein 3-Punkte-Erleuchtungsschema mit Sofortwirkung.