Oktober 11

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Ich war in der Stille – muss ich nun transformiert sein?

By Bianca Merz

Oktober 11, 2022


DIE GANZE BANDBREITE VON STILLEN BIS LAUTEN MENSCHEN
Als mir vor einigen Jahren bewusst wurde, dass ich zu den ruhigeren und sensitiveren unter den Menschen gehöre und gar nicht – wo ich mich vermeintlich adaptiert hatte – zu den (vor)lauten, tat sich eine neue Welt auf für mich. Ich hatte mich danach intensiv mit dem Thema Intro/Extraversion beschäftigt und machte es mir eine Zeit lang zur Aufgabe, als Coach insbesondere zurückhaltendere Führungskräfte zu begleiten. Und sie in ihren stillen und nachhaltigen Stärken zu stärken. Heute glaube ich die ganze Bandbreite von still bis laut so weit integriert und verstanden zu haben, dass ich Menschen unabhängig ihrer typenspezifischen Ausprägungen und entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse und Anforderungen begleiten und empowern kann.

Seit ich zudem weiss, dass mein Bedürfnis nicht komisch ist, sondern ich vielmehr das Alleinsein benötige, um aufzutanken, geniesse ich Alleinzeit ganz bewusst.

MEINE STILLE WOCHE IN DEN BERGEN
So beispielsweise Ende September, als ich mir mehrere Tage Detox gönnte. In einer einfachen Hirtenhütte im Bündnerland. Digital-Sozial-Zuvielisationsdetox. Und eigentlich war auch das Entgiften des Körpers vorgesehen …

Ehrlich gesagt: ich war während der Planung nervös. Das alleine Unterwegssein oder auch mal 2-3 Tage alleine weitwandern, das kenne ich. Aber alleine fest an einem Ort in den Bergen bleiben, ohne Komfort, ohne Abwechslung (aka Ablenkung) und ganz alleine mit mir. Was wird sich zeigen?

Mein Fazit: ich kann super mit mir! Mir wurde bewusst, dass ich die meisten Sorgen, Aufregungen und negative Schwingungen aus meinem Umfeld aufnehme und manchmal auch zu meinem Eigen mache, was gar nicht in mir ist. Doch das ist weder für mich noch für mein Umfeld hilfreich. Also tat das Putzen meines Spiegels so richtig gut.

Ich habe NICHTS getan, ausser für mich gesorgt (Kochen und Heizen), die Zeit und die Natur genossen. Was mich auch erstaunt hat, ich hatte nicht mal die Dusche vermisst und mich auch in den anschliessenden zwei Hotelnächten vorwiegend am Waschbecken gewaschen. So rasch können sich Routinen einschleichen. Wobei: hier zurück in Zürich in der schlecht isolierten und meist kalten Dachwohnung geniesse ich eine warme Dusche bereits wieder in vollen Zügen.

ETWAS WAR DANN DOCH ZU HERAUSFORDERND …
Ich hatte – wohl typisch Enneagramm 3-Muster – effizienterweise die Woche zudem für einen Bodydetox nutzen wollen. Der Vorteil davon war, dass ich wenig Nahrungsmittel in die Hütte mitbringen musste, denn das Fastenpaket nach Hildegard von Bingen enthielt alles, was frau für ein paar Tage benötigte. Nur: ich war nach zwei Tagen sooo hungrig und hatte Mühe einzuschlafen und zudem Bedenken, zu viel Gewicht zu verlieren (siehe Fun Facts), so dass ich die Suppe mit Reis und Linsen pimpte. Und mir mehr als nur einen Kaffee und ein Guetzli pro Tag gönnte. Ich habe also doch noch etwas gelernt: nicht immer alles aufs Mal wollen.


HAT MICH DIE WOCHE TRANSFORMIERT?
Diese Frage stellte ich mir, weil ich seit einiger Zeit auf Social Media einen ziemlichen „Transformationskult“ beobachte. Und immer wieder staune. Eine Woche Dubai oder Bali reicht für einen grundsätzlichen Wandel im Sein und Tun? Kann sein, ich kann das nicht nachvollziehen. Aufgrund meiner inzwischen doch schon jahrzehntelangen Lebens-Reise-Erfahrung würde ich die transformierende Elemente der diversen Veränderungen nicht als Zeitpunkte, sondern vielmehr als Zeiträume und Prozesse und deren bewussten Reflektion beschreiben. Aber allenfalls ist das typen- oder eben generationsabhängig.

Meine Bergwoche würde ich jedenfalls nicht als transformative Erfahrung beschreiben. Sondern als eine von vielen Erfahrungen im Fluss des Lebens, der sich stetig ändert und fliesst. Ich bin mir auch sehr bewusst und dankbar, dass ich privilegiert bin, mir so eine Auszeit gönnen zu können. Ich habe mich besser und vertiefter gespürt und ich hoffe, dass ich das gute Gefühl mit und zu mir und die dadurch gewonnene Gelassenheit lange im Alltag beibehalten kann. So herausfordernd es auch werden wird. Und das wäre dann wohl eher das Transformative – ein Wandel im Sein, der sich nachhaltig zeigt.

 

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  • Liebe Bianca
    Endlich habe ich mir Zeit genommen, ein wenig bei Dir zu lesen. Es hat mir gut getan. Danke für Deine Offenheit.
    Die gesellschaftliche Transformation gibt mir manchmal den Eindruck, völlig anders und verkehrt zu sein (das verursachen natürlich die alten Muster in mir). Diese „Rückschläge“ kommen umso heftiger, je mehr ich die innere Orientierung und meine Werte fokussiere.
    Als menschliches Wesen ist Persönlikeitsentwicklung doch nur soweit individuell möglich, als ich auch fähig bin, meine sozialen Kompetenzen zu erweitern und bereit bin, mich innerlich von äusseren Ereignissen bewegen zu lassen. Gleichgewicht ist offenbar nur in Bewegung möglich, wenn ich vorwärts kommen möchte. Eigentlich einfach und spielerisch wie Fahrradfahren….
    Frohe Pfingsten und herzliche Grüsse Johanna

    • Liebe Johanna, vielen herzlichen Dank für deine berührende Rückmeldung! Und ja, ich bin ganz bei dir. Wir sind nicht alleine hier und es ist immer ein „Schaukeln“ zwischen dem ICH und dem DU und dem Innen und Aussen. Manchmal geht das fliessend und manchmal ist es sehr herausfordernd und kräftezehrend … und lässt einen manchmal auch etwas „alleine“ sein. Sende dir ebenfalls ganz herzliche Grüsse!

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