Oktober 10

0 comments

Warum kein Test der Welt dich ganz erfassen kann

By Bianca Merz

Oktober 10, 2025

newwork, persönlichkeitstests, vertikaleentwicklung

Zwischen Messbarkeit und Mysterium

Vor ein paar Tagen tauschte ich mich mit einer Führungsperson über Persönlichkeitstests, Typologien und Profile aus und irgendwann sagte sie:
„Wenn ich nur wüsste, welcher Test der richtige ist, damit ich verstehe, wer ich wirklich bin und was ich möchte.“

Oh ja, diesen Wunsch kenne ich auch! Die Sehnsucht nach Klarheit, nach einer eindeutigen Antwort, die uns den Weg weist. Und ich erinnerte mich an einen Moment, der inzwischen über zwanzig Jahre zurückliegt.

Rationale Filter oder wenn Excel die Welt erklärt

Ich war damals HR-Leiterin in einem KMU und nahm an einem Weiterbildungsanlass teil. Ort war ein Forum einer Grossbank in Zürich und das Thema: Leistungs- oder Mitarbeiterbeurteilungen. Schon damals war das HR als Berufsfeld mehrheitlich weiblich geprägt, doch die Leitungspositionen waren fast ausschliesslich in Männerhand.Unter den rund hundert Teilnehmenden zählte ich kaum fünf Frauen.

Der Saal war zudem „gefüllt“ mit Tabellen, Zahlen, Systemen und eindrücklichen Formeln auf endlosen PPT-Folien.

Es ging um ein neu entwickeltes Mitarbeiterbeurteilungsformular, Normalverteilungen, Objektivität. Alles sollte präzise und neutral sein. Ich hörte aufmerksam zu, machte Notizen und spürte doch innerlich ein Stirnrunzeln. Irgendetwas stimmte hier nicht für mich. Erst beim Apéro getraute ich mich, einen der Referenten anzusprechen:
„Aber am Ende sind es doch die Vorgesetzten – also immer Menschen – die Bewertungen eingeben. Wie berücksichtigen Sie deren Bias‘?“ Die Antwort kam prompt, kurzangebunden und überzeugt: „Alles völlig neutral. Subjektivität? Gibt es nicht.“

Dieses Nichteingehen auf meine Frage bestärkte meine Ahnung:
Menschen bringen immer ihre Prägungen, Vorlieben und blinden Flecken mit – egal, wie ausgeklügelt das System ist. Dieses kleine Stirnrunzeln war der Startpunkt, mich in den folgenden Jahren immer mal wieder mit Wahrnehmung, inneren Filtern und Reiz-Reaktionsmustern zu beschäftigen.

Heute erkenne ich, dass ich damals mitten in der rationalen Stufe der Entwicklung stand – jener Ebene, die alles messen, erklären und kontrollieren möchte. (Mehr Details zu diesen Stufen siehe im White Paper von Barbara Küchler).

Diese Stufe hat uns viel gebracht: Struktur, Effizienz, Orientierung. Doch sie zeigt nur einen kleinen Ausschitt der Wirklichkeit. Das Leben bleibt komplex, lebendig und in Teilen ein Geheimnis. Und genau das ist die Herausforderung in vielen Organisationen: In erstaunlichen vielen Toppositionen herrscht nach wie vor diese Rationalität vor. Viele Entscheide in den letzten Monaten, die sich anhören, als kämen sie aus einer anderen Zeit, wurzeln dort. In der Überzeugung, dass alles kontrollierbar sein müsse.

Mehr als Kästchen ankreuzen: Tests, Enneagramm & IDGs

In den letzten Jahren habe ich viele Persönlichkeitstests kennengelernt und mit einigen gearbeitet. Im Businesskontext arbeite ich seit 10 Jahren fast ausschliesslich mit Profiling Values: ein fundiertes, wissenschaftlich validiertes Instrument, das weit über klassische Verhaltensmessungen hinausgeht. Denn profilingvalues® misst nicht dein Verhalten, sondern macht Denk- und Werthaltungen sichtbar. Und ein weiteres Plus: Er ist sehr zeiteffizient; du kannst die Fragen bequem online in 30–40 Minuten beantworten, danach folgt ein Auswertungsgespräch mit mir (90–120 Minuten), in dem wir gemeinsam einen individuellen Handlungsplan entwickeln.

Trotzdem gilt: Kein Test kann dich ganz erfassen.

Wir entwickeln uns weiter. Ein Test ist immer nur eine Momentaufnahme. Was mich persönlich stark unterstützt hat – und bis heute begleitet – ist das Enneagramm. Nach wie vor das einzige Persönlichkeitsmodell das ich kenne, das konkrete Entwicklungsoptionen aufzeigt. Seit zwanzig Jahren entdecke ich darin Neues über mich, über andere, über die Mechanismen unseres Menschseins.

Seit rund drei Jahren experimentiere ich zusätzlich mit den Inner Development Goals (IDGs). Sie bieten einen Rahme, in denen wir unsere persönliche Reife stärken und gleichzeitig die Fähigkeiten entwickeln, die unsere Welt heute braucht: Selbstführung, Wahrnehmung, Mitgefühl, innere Stabilität und Mut zum Handeln.

Tests sind Werkzeuge, die uns neue Perspektiven schenken. Wie bspw. der Test zur ICH-Entwicklung oder vertikalen Stufenentwicklung begleitet durch Barbara Küchler, dies hat mir sehr sehr wertvolle Einsichten gebracht und unterstützt mich persönlich auf meinem Weg. Am Ende zählt die Klarheit, die wir gewinnen, und die Schritte, die wir bewusst gehen.

Lernen im Austausch: Du bist mein Spiegel 

Entwicklung geschieht oft im Austausch. Wie Martin Buber schrieb: Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Ich selbst lerne und wachse, wenn ich mit Menschen in Resonanz bin, die selbst auf ihrer eigenen Reise sind. In Workshops, Resonanz-Circles, in den  1:1-Begegnungen oder eben selber in Coachings bei Menschen, die noch länger und tiefer auf der Reise sind.

Diese Räume bieten die Möglichkeit, eigene Muster zu erkennen, Perspektiven zu erweitern und manchmal auch über sich selbst zu lachen. Tests können Türen öffnen, Orientierung geben und Reflexion anstossen. Aber sie sind nicht genug.

Echte Entwicklung braucht Selbstbeobachtung, Neugier, Mut zur Reflexion und die Bereitschaft, sich selbst beim Denken und automatischen Reagieren zu ertappen.

Meine Einladung: Mach Tests; sie sind wertvoll. Aber bleib nicht dort stehen, wo das Resultat aufhört. Erkunde dich selbst. Beobachte deine Filter, Reiz-Reaktionsmuster, blinde Flecken. Denn am Ende geht es nicht darum, dich in eine Schublade zu stecken, sondern herauszufinden, was da draussen (und drinnen) sonst noch alles Platz hat.

Und das ist manchmal irritierend, oft überraschend und definitiv immer lebendig 🙂






(Visited 42 times, 1 visits today)
{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}
>
Cookie Consent mit Real Cookie Banner