Februar 23

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Vom Zertifikatswahn zurück zu uns und unseren Talenten

By Bianca Merz

Februar 23, 2023

bildung, integral

“Welche Weiterbildung und welchen Diplomabschluss würdest du empfehlen, damit ich attraktiv bin für Arbeitgebende?” Diese Frage wird mir von Menschen, die ich bei der Neuorientierung begleite, immer gestellt. Oft beim ersten Treffen. Meine Antwort ist stets eine Gegenfrage: “Was wäre denn für dich attraktiv, was möchtest du noch lernen, erleben, erfahren und beitragen?”

Was ist schon normal und gefragt?

Die sogenannte “Normalbiografie”, wie sie Soziologen nennen, wurde bereits vor mehreren Jahrzehnten revolutioniert. Heute sind unterschiedlichste Lebens- und Berufsmodelle möglich. Dies hat auch damit zu tun, dass es vermehrt Lebensübergänge gibt und vielmehr Brüche, Wiederholungen und Neuanfänge. Was wunderbare Chancen bedeutet, aber uns auch fordert in der Gestaltung und Übernahme von Eigenverantwortung. Und ich erlebe oft in Coachings, dass gerade in herausfordernden Zeiten, wenn der Bruch/Neuanfang eher von Aussen angestossen wurde, wir vorzugsweise nach einem sicheren Rezept und Schema vorgehen würden. Doch dieses Rezept existiert nicht. Zum Glück nicht!

Doch zurück zur Frage meiner Kunden. Ich bin schon lange überzeugt, dass es nicht in erster Linie auf unsere Diplome ankommt (was nicht heisst, dass man über gar keines verfügen soll!), sondern vielmehr darauf, wer wir sind, was uns antreibt, welchen Beitrag aufgrund unserer Talente wir leisten können und möchten, ob wir das angeeignete Wissen auch als Erfahrung ganz in unser Tun integrieren konnten und nicht zuletzt, dass wir ein lernfreudiges Mindset beibehalten. Die meisten meiner Kunden bringen bereits einige Jahre Berufserfahrung und mindestens eine anerkannte Basisausbildung (Lehre, FH- oder Hochschulabschluss) sowie zunehmend noch x CAS-Abschlüsse mit. 

Von einer Ahnung zu den Fakten

Bis vor zwei Jahren konnte ich meine Überzeugung nur mit einer Ahnung und nicht-messbaren Argumenten darlegen. Dann hat Anja C. Wagner im Jahr 2021 das Buch “Berufen statt zertifiziert” veröffentlicht mit vielen Hintergrundinformationen dazu, wie und warum es zum Zertifikate-Wahnsinn kommen konnte und was sie für Trends sieht.

Und soeben las ich sehr interessiert und hocherfreut den aktuellen Newsletter des Zukunftsinstituts zum Thema “Vom Bildungsboom zur Könnenskultur”. Und weil sie das so wunderbar beschreiben, hier ein (grosser) Textauszug*:

„Mit dem Begriff „Wissenskultur“ waren stets hehre Ansprüche verbunden. Der Bildungssektor expandierte. Doch auf dem Weg in diese Bildungsutopie hat sich im Kern des Wissensbegriffs etwas grundlegend verändert. Echtes Wissen kann man nicht einfach copypasten. Wissen handelt von Zusammenhängen, Erfahrungen, Kompetenzen. Wie Bildung hat es immer etwas mit Begegnung zu tun. Mit Vertrauen. Aber dieses Vertrauen wird in einer digitalen Wirklichkeit erodiert, in der es um das rasende Schürfen von Aufmerksamkeit und Erregung geht. Auf diese Weise frisst die Wissenskultur sich selbst auf: Sie wird überschrieben vom Lärm einer Infodemie.

Und dennoch geht der Megatrend Wissenskultur weiter – allerdings mit veränderten Parametern und Kriterien. Die Akademisierung, die jahrelang die Bildungslandschaft prägte, ist an ihrem Zenit angelangt. Das bietet die Chance, Kopf und Bauch, Hirn und Hand wieder zusammenzubringen. Die Zukunft gehört der Könnenskultur. Eines der ältesten Trendworte des Wissensbereichs könnte dadurch wieder zu Ehren kommen: der Talentismus. Er besagt, dass im Bildungssystem und in der Arbeitswelt die individuellen Talente im Zentrum stehen sollten: die qualifizierende Vertiefung der Neigungen des einzelnen Menschen – und nicht berufliche „Ausbildungen“ nach traditionellen Berufsbildern. Den Kern des Berufslebens bildet in Zukunft die subjektive Motivation, die persönliche Leidenschaft.“

Was würdest du als nächstes lernen wollen?

Was tun wir also im Rahmen des Coachings? Herausfinden, was deine Talente, Wünsche, Motivationen sind und aufgrund dieser dann allenfalls auch gezielt eine Weiterbildung auswählen – ob mit oder ohne  sogenannt anerkannten Zertifikatsabschluss.

Und ich bin sowieso so was von überzeugt, dass die Welt, die Bodo Wartke hier besingt möglich ist und wird.

 

*aus dem Newsletter vom 22.02.23 der Zukunftsinstitut Gmbh, Frankfurt am Main
 

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