April 5

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„All shall be well and all shall be well and all manner of things shall be well …“

By Bianca Merz

April 5, 2021


und warum dieses Zitat weniger mit weltfremder Positivität sondern vielmehr mit „Lernen fürs Leben“ und mit „Das Leben feiern“ zu tun hat

Diesen bekannten Spruch als Blogpost-Titel zu wählen in Zeiten einer globalen Pandemie (welche jedoch essentiellere und dringende Themen wie Klima und Gesellschaftswandel in den Hintergrund rücken lässt) scheint dir allenfalls naiv, zynisch oder als spirituelles Bypassing[1] erscheinen. 

Und dennoch passt es perfekt!

Weisst du, von wem das Zitat stammt? Es ist schon einige hundert Jahre alt und stammt aus den Offenbarungen der englischen Mystikerin Juliana von Norwich, die im 14. Jahrhundert in der damals reichsten Stadt Englands gelebt hatte. Als sie 7jährig war brach die Pest aus und kam dann wellenartig bis ins 15. Jahrhundert immer wieder zurück. Juliana erlebte während ihres Lebens wohl ca. 5 ! ein- bis drei Jahre dauernde Wellen. Da rund 50% der Menschen daran starben, geht man davon aus, dass auch Juliana einige oder auch viele ihr nahestehende Menschen verlor. Wie kann man so viel Leid aushalten und überleben und auch noch hoffnungsvoll bleiben? Man kann es kaum. Jedenfalls nicht, indem man nur das Positive sieht oder manifestiert und Business as usual betreibt. Es braucht Zeiten des Trauerns, Loslassens, der Inn-kehr oder auch der Herbst/Winterzeit wie wir das bei zyklischen Theorien sehen – und es braucht das Durch- oder Erleben des Dunklen, Traurigen, der Schatten, das Zulassen der Schwere.

Ja und warum schreibe ich als Frau in der heutigen Zeit über Juliana?

Ich beobachte in meinem persönlichen und beruflichen Umfeld unter anderem zunehmend zwei Phänomene:

  • Der Drang nach Selbstoptimierung und Klarheit und gerade jetzt ungeduldig sich-neu-aufstellen wollen/müssen und die negativen Anteile/Gefühle oder das nicht-visionär-sein-können-wie-erwünscht einfach weg-manifestieren zu wollen (das wird einem mit teils Angeboten auch versprochen …) und 
  • das sich-Betäuben und Ablenken in Zeiten von Unsicherheit, im nicht-Wissen-wie-weiter und im Umgang mit schwierigen Gefühlen. Betäuben durch Konsum und Reisen (sofern man noch in der privilegierten Lage ist) oder generell durch Ablenkung im Aussen (bspw. Filme gucken, die 145. Weiterbildung absolvieren, Wohnung zum xten Mal umdekorieren, Drogen jeglicher Art konsumieren etc.). Das ist alles in einem gewissen Masse ok und kann hilfreich sein, aber man kommt nicht darum herum, sich mit den inneren Themen zu beschäftigen. Das kenne ich sowohl von mir selber und auch aus meiner langjährigen Coachingpraxis.

Ich beobachte, dass sich dies – je länger die Pandemie dauert – umso mehr zuspitzt. Erkenne zunehmende depressive Verstimmungen und Erkrankungen und einige meiner Coachingsitzungen werden entsprechend anspruchsvoller.

Darum begann ich mich vor einigen Monaten mit der Absicht, mich selber besser zu erden, vermehrt mit Weisheiten und Impulsen von faszinierenden Frauen zu beschäftigen – von Juliana von Norwich über Hildegard von Bingen[2] bis zu Tanis Helliwell und einigen mehr. Mit der Idee und der Hoffnung, dass ich einige Impulsen für meinen persönlichen Alltag nutzen und dahingehend übersetzen kann. Denn ich bin überzeugt, dass wir die heutigen komplexen Probleme nicht einfach und insbesondere nicht ausschliesslich mit unserem zeitlich und räumlich eingeschränkten (Erfahrungs-)Wissen und noch viel weniger mit Pessimismus, mit sich gegenseitig Beschuldigen, mit patriarchalem und ökonomischen Denken und Handeln – sondern vielmehr auch mit Weisheit, gemeinsam, interdisziplinär und divers, co-kreativ und zukunftsorientiert angehen sollten. Wie genau das aussieht … tja, da suche ich immer und immer wieder … auch im Austausch mit anderen … und ich versuche dabei, selbst gesund und zuversichtlich zu bleiben.

Doch zurück zu Juliana:

Was war das „Heilmittel“ welches ihr half, trotz der Pandemie überleben zu wollen? 

Zusammengefasst: Die Liebe ins Leben an sich sowie Dankbarkeit. 

Etwas ausführlicher:
Eines ihrer Mittel war, sich immer wieder bewusst zu machen, DASS wir da sind, WARUM wir da sind und was es doch für ein Privileg ist, ein Teil der «goodness of existence» zu sein. Spannend finde ich auch, dass sie sich von den Sündenfallgeschichten distanzierte und vom Pessimismus damaliger «Gewalten».

Was dazu ganz praktisch hilft? 
Nach draussen gehen (das kann gleich ums Haus sein) – bewusst zu atmen, riechen, staunen und sich-erden. Etwas, das ich täglich «zelebriere». Und darauf achten, was ich medial konsumiere und dies ganz bewusst zu tun.

Juliana beschreibt eine Art Depression, die auftritt, wenn wir Schweres erleben und dass dies in Energieverlust endet. Es ist normal, sich auch mal nicht nur toll zu fühlen und vielmehr traurig zu sein. Und dies gerade auch in Veränderungsprozessen. (Wer bei mir schon in Coachings war, kennt meine Vorliebe für die Veränderungskurve von E. Kübler-Ross…:-)).

Um wieder ein Licht am Horizont sehen zu können empfiehlt Juliana einerseits «not to take things for granted» und sich folgende Fragen zu stellen:

Warum bin ich hier?
Was will ich wirklich mit meinem Leben anfangen und welchen Beitrag für das grosse Ganze leisten?

Damit lenkt sie den Fokus hoffnungsvoll auf die Zukunft und darauf, dass wir mitgestalten können und meistens eine Wahl haben. Vielleicht nicht im Aussen, aber immer im Innen, in der Haltung. 

Und das vielleicht Wichtigste – und spannenderweise habe ich das auf meinem Weg in einer Form immer wieder von LehrerInnen/MentorInnen gehört oder glaube es gehört zu haben 😉 – und „glaube“ es, auch wenn es herausfordernd ist:

«Do not run from it, but rather hang around to learn what it has to teach you.”

 

[1] geprägt wurde der Begriff vom Psychologen John Welwood und er beschreibt ihn folgendermassen: Spiritual Bypassing ist ein Begriff,[…] der einen Prozess beschreibt, den ich in der buddhistischen Gemeinschaft um mich herum und auch in mir selbst beobachtete. Obwohl die meisten von uns aufrichtig versucht haben, an uns selbst zu arbeiten, bemerkte ich eine weit verbreitete Tendenz, spirituelle Ideen und Praktiken einzusetzen, um ungelösten emotionalen Problemen auszuweichen oder Probleme, psychische Wunden und unerledigte Entwicklungsaufgaben zu vermeiden.

[2] Unter anderem Matthew Fox und Mirabai Starr haben dazu tolle Bücher geschrieben

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